Oder eben auch nicht

Wie geht nun Führungskunst?
Und wie profitieren dann auch Deine Mitarbeiter von dem neuen Führungsstil?
Wie schaffen wir es, unser Verhalten oder besser, unsere Haltung, den Bedingungen unserer Zeit anzupassen?


Im agilen Kontext sind wir aufgefordert zu experimentieren, gemeinsam zu lernen und Fehler zuzulassen. Und das ist – wie jeder Paradigmenwechsel – herausfordernd und fremd. Darum eben lohnt sich, Berufsgruppen anzuschauen, die von je her agil arbeiten. Und allen voran sind das die Künstler. Ebenso wie Führungskräfte meistern Künstler komplexe Aufgaben. Doch Haltung und Herangehensweise unterscheidet sich fundamental vom klassischen Führungsideal.

Schauen wir also auf sieben Charakteristika von künstlerischem Handeln.

  • Künstler lassen sich auf den kreativen Prozess ein
    Zu Beginn wissen auch Künstler nicht, wohin sie ihr neues Projekt führen wird. Sie starten mit einer Idee aber keineswegs überlegen sie, die selbstgesetzte Aufgabe nach einem festen Plan zu erarbeiten. Sie wissen, dass jeder neuen Lösung eine Inkubationszeit voran geht. Sie gehen iterativ vor und lassen sich von Fehlversuchen nicht irritieren. Überhaupt ist ihre Frustrationstoleranz hoch. Ihr Arbeitsmodus ist: an einer Aufgabe arbeiten und wieder loslassen. Sie vertrauen darauf, dass ihr Unbewusstes weiter aktiv ist. 
  • Sie haben eine hohe geistige Flexibilität
    Widersprüche sind für sie weder erschreckend noch stellen sie einen Makel dar. Vielmehr sind sie interessant, weil sie zu einem Perspektivwechsel auffordern: Lassen sich die Widersprüche verbinden? Welche Varianten sind dabei denkbar? Welche Ressourcen sind greifbar und womit können sie arbeiten? Ein Künstler betrachtet scheinbare Gegensätze aus verschiedenen Blickwinkeln und mit einem offenen Mindset. Die Bewertung findet nach objektiven Kriterien statt, konstruktiv und nicht nach richtig oder falsch. 
  • Künstler sehen überall Möglichkeiten
    Sie nehmen ständig auf und sehen Lösungen, die Futter für weitere Überlegungen sind. Ein Notizbuch ist ein fester Begleiter, weil sie um die Tatsache wissen, dass gute Ideen flüchtig sind.
  • Abstand nehmen, abstrahieren
    Künstler lassen gewohnte Sichtweisen los. Sie klammern nicht. Lieber treten sie einen Schritt zurück und nehmen Abstand. Dieses „dissoziieren“ ermöglicht ein fluides Denken sowie Flexibilität. 
  • Sie sind ausdauernd, denn sie sind angetrieben von einer Idee, getragen von einer Vision. Sie haben ihr „WARUM“ im Herzen.
  • Sie übernehmen Verantwortung nehmen aber Fehler nicht persönlich, da sie wissen, dass sie Teil von etwas Größerem sind.
  • Und das wohl wichtigste Indiz für einen kreativen Geist ist die Offenheit für neue Erfahrungen.

Kreativität bedeutet: Etwas Neues zu schaffen. Oder auch: abstrahieren, verfremden und neu zusammen setzen. Kreativität ist auf keinen Fall an ein festes Berufsbild geknüpft. 

Eine gute Führungskraft ist daher für mich ein Führungskünstler.

Und um gleich mal mit der romantisch verklärten Vorstellung über die Arbeit eines Künstlers aufzuräumen: Kreativität ist oft harte Arbeit. Oder auch nach Edison: 99% Transpiration und 1% Inspiration. Zu Führen – uns und/oder andere ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Lebens. Die Frage ist, inwieweit wir es uns erlauben, der Führungsarbeit eine künstlerische Seite abzugewinnen. Die Auseinandersetzung lohnt, denn kreatives Arbeiten motiviert. Kreativität macht den Menschen im Innersten aus. Wenn sich Führungskräfte diesem Geist öffnen und selbst so arbeiten, motivieren sie ihre Mitarbeiter. Mit der Öffnung für einen kreativen Prozess öffnen wir Räume für die Mitgestaltung. Darauf kommt es zukünftig noch mehr an und dann ist Co-Kreativität nicht nur ein Schlagwort, sondern eine zutiefst erfüllende Erfahrung.

Und darum braucht eine agile Arbeitswelt mehr Führungskünstler.

Bild: Birgit Dierker