Raum, der
Substantiv, maskulinum
So weit, so wenig. Ein Raum kann einfach nur ein Raum sein … Ich habe es immer schon gefühlt, jeder andere kann es auch.
Umgebung wirkt
Verrückt genug, dass diese Tatsache so wenig Beachtung in den meisten Unternehmen findet. Kant sei Dank, war nun aber mal der Verstand und nicht das Gefühl Master in Class. Nun ändert sich das, Mensch sei Dank. Da wir uns aber in der Vergangenheit anscheinend so weit von uns entfernt haben, dass inzwischen sogar ein eigener Markt um das sogenannte Waldbaden entstanden ist, schreibe ich jetzt ein paar Worte über das, was für mich als sensitiven Menschen schon immer selbstverständlich war und warum es das Atelier „werke und werte“ gibt.
Warum
Als Künstlerin bin ich immer der Wirkung von Farben und Formen auf der Spur. Als Mutter war es mir wichtig, meinen Kindern Räume zum Wohlfühlen und zur Inspiration einzurichten und auch in meiner Führungsarbeit im Konzern, war das Thema der Raumgestaltung immer auch ein zentrales Thema. Ich arbeite gern effizient. Und so erforsche ich schon viele Jahre, welche Hebel im Veränderungsprozess die größtmögliche Wirkung haben. In diesem Prozess meiner Arbeit wurde mir immer wieder gespiegelt, dass ich anscheinend einen natürlichen Zugang zu der Gestaltung von Räumen haben, in denen Menschen sich wohlfühlen. Warum ist das wichtig? Weil es uns leichter fällt in einem Raum zu öffnen, in dem wir uns wohlfühlen. Daher studiere ich alles, was ich zu dem Thema finden kann und finde Wissenshappen, die ich dann gern in mein Ateliermenü aufnehme.
Gewusst
Über eine überraschende Tatsache berichtet das Forscherteam Ravi Mehta und Juliet Zhu von der University of British Columbia in Vancouver in der Online Ausgabe von Science. Die Farbe Blau regt im Gegensatz zu Rot die Kreativität an und fördert so neue Lösungsstrategien. Die Forscher konnten bei Experimenten mit eingefärbten Bildschirmhintergründen nachweisen, dass die Farbe Blau die explorative Motivation erhöht, was sich wiederum positiv auf die Kreativität auswirkt. Wussten Sie schon, dass uns runde Räume schöner als eckige Räume erscheinen? Warum? Beim Betrachten von rund geschnittenen Zimmern regen sich Hirnregionen, die mit Belohnung und Wohlgefühl in Verbindung stehen. (Proc.Natl.Acad.Sci.USA 110,S.10446-10453,2013).
So weit, so theoretisch. Wer wie ich als Moderator und Coach viel unterwegs ist, kennt es, in Räumen arbeiten zu müssen, die weder
Luft
noch Licht
noch Farben
noch Raum
im ausreichenden Maße bieten. Von abgenudelten Markern, die eher meinen Pinseln ähneln und dem lieblos hängengelassenen letzten Flipchartbogen auf dem zerbrechlichen Stativ, mal ganz abgesehen.
Ein Beispiel
Vor ein paar Wochen durfte ich die Moderation eines 8-köpfigen Management Boards übernehmen. Das Ziel, das individuelle und das kollektive Potenzial sichtbar und zugänglich zu machen. Das Ziel, sich gemeinsam weiterzuentwickeln und besser/effektiver miteinander zu arbeiten. Bepackt mit leeren Blättern, Stiften, Bildkarten und jeder Menge Vorfreude, betrat ich einen nigelnagelneu eingerichteten Meeting Raum der klassisch in U-Form bestuhlt war. In der Mitte jedes 2-er Tisches ein Getränkepaar und der Tisch des „Trainers“ in Lehrermanier fein vorne in der Mitte und mit ausreichend Distanz. So weit, so immer noch verbreitet. Aber da unter jedem Tisch ein paar Rollen zu sehen war und ich gewohnt bin, Räume dem Anlass entsprechend umzugestalten, war ich optimistisch. Ich kürze ab. Die gut gedachte Raumeinrichtung war durch Netzwerkkabel und andere feine Kommunikationsmedien so unflexibel, das keinerlei Veränderung möglich, ja sogar verboten war. Als Löwe gesprungen, als Bettvorleger gelandet.
Und?! Sie ahnen es sicher schon, das nächste Mal habe ich einfach in mein Atelier eingeladen und die Teilnehmer konnten im direkten Vergleich den Unterschied erleben. Überraschung inklusive. Da es sich als meine Berufung herausgestellt hat, Räume für Transformation zu ermöglichen, kam ich also vor ein paar Jahren nicht darum herum, mein Atelier ganz im co-kreativen Sinne auch für andere zu öffnen, denn
Nichts überzeugt eben so schnell, wie das eigene Erleben.
Neue Perspektiven entstehen, wenn wir uns erlauben, alte Sichtweisenufer zu verlassen. Meine Räume, die nicht nur voll mit meiner Kreativität und der Liebe zum Sein gefüllt sind, haben mich gelehrt, dass Disruption im Visuellen, Disruption in unseren Gedanken vereinfachen. Schneller Perspektivwechsel also.
Schlüsseldimensionen
Ich habe vier Schlüsseldimensionen identifiziert, die Räume für Kreativität und co-Kreativität, die wichtigen Faktoren nachhaltiger Transformation öffnen
- professionelle Funktionalität
- Unperfekte Lebendigkeit
- Fokussierte Inspiration
- Bewegungsraum
Wenn wir geistig in Bewegung kommen wollen, hilft körperliche Bewegung, daher gibt es im Atelier immer viele unterschiedliche Sitzhöhen, Stehtische, Bänke, beschreibbare Wände, einen Garten und einen zauberhaften Weiher ein paar Schritte hinter dem Haus.
Ganz im Geist von Nietzsche: „Trau keinem Gedanken, der im Sitzen kommt.“
Für mich ist das Atelier Wirkungsraum und Kunstraum ganz im beuysschen Sinne. Die Räume sind wie eine große Skulptur, immer meiner Kreativität ausgesetzt und so schätzen meine Gäste, dass es immer wieder etwas Neues zu Entdecken und zu erleben gibt. Der Leitgedanke dabei: Imperfekt funktional statt perfekt unfunktional. Kreativität steckt an, das können wir gar nicht verhindern. Daher haben die Ateliers von Künstlern immer schon eine besondere Anziehungskraft und etwas Magisches. Hier sind Dinge möglich, die es woanders nicht sind.
„Künstler produzieren Innovationen. Sie entwerfen, verdichten und kommunizieren neue Sichtweisen auf Gegenwart und Zukunft und liefern Impulse für eine Gesellschaft, deren Fortschritt maßgeblich von der Durchschlagskraft innovativer Ideen abhängt.“
– Stephan Shaw, art matters –
Fazit für Führungskünstler:
Ein Raum kann einfach ein Raum sein, oder ein Raum kann mehr sein.